Als 1-Mann-Delegation der legendären haberich cycling crew zog es mich am vergangenen Wochenende zur 10 Auflage des mittlerweile Haupstadtklassikers. Und mir ging im Vorfeld schon gewaltig die Düse… Das Heimrennen ein Wochenende zuvor auf ärztliches Anraten – es wäre aber auch ganz ehrlich ohne den Rat meines Arztes nicht gegangen – sausen lassen müssen und somit nur als Zuschauer bei den tollen Einzel- und Teamleistungen, hatte ich gehofft, dass ich wenigstens den Velothon schaffe… Ziel ganz knapp erreicht!
Also alles was man zum Radeln in Berlin braucht in den Transporter und am Samstagmorgen um 6 hieß es: Abfahrt!
Was würde mich erwarten? Hab ich überhaupt die Beine? Kann ich den Erwartungen meines Mentors gerecht werden? Zitat:“Und in Rennen – lerne vorn zu fahren, immer in den ersten 20. Such dir einen und bleib an dem dran. Respekt verschaffen. Auf biegen und brechen, nie zurück ziehen. Nie. Auch wenn es schwer fällt.“ Okay…einer der zurückhaltendsten Rennradfahrer überhaupt soll einfach mal reinhalten… Nichts leichter als das…
Also weiter den ganzen Tag Kopfkirmes, Ruhepuls im GA1-Bereich und eine Nacht zum davonrennen, denn an einschlafen war nicht zu denken. 0:30 Uhr, Mist! Da klingelt ja in 5 1/2 Stunden der Wecker zum Frühstück: 200g Reis mit Honig und Milch erwärmt im Waschbecken des Hotels. So wird man doch gerne wach, also runter damit. Gewöhnungsbedürftig, aber echt gut, 4 Stunden vor dem Start zu essen. Durch das frühe Aufstehen noch alle Zeit der Welt sich vorzubereiten, Start war ja erst um 10:30 Uhr. Wieder Kopfkirmes, wieder Ruhepuls jenseits von Gut und Böse.
Endlich in der Startaufstellung…haben die hier alle übernachtet? 30 Minuten vor Start schon pinnevoll, also brav hinten angestellt und so weit wie möglich nach vorne gemogelt.
Noch 9 Minuten bis zum Start…ich höre den Martin, meinen Freund und jahrelangen Mitfahrer in Berlin und Hamburg, sagen:“Ich glaub ich hab platt…“ Anschließend drei Minuten fragendes gucken gefolgt von einer 5minütigen Rekordreparatur. Geschafft.
Startschuss! Hoppla, was ist das? Schiebt da einer von hinten? Nein. Fahren wir langsamer als sonst? Nein. Was war es dann? Es mussten wohl meine Beine sein. Sie sind also gut – noch. Also anschnallen und so schnell und so weit wie möglich nach vorne. Zweites hoppla… Wo hatte ich denn jetzt das Selbstvertrauen her? Egal, weiterfahren…und ehe ich mich versah, war ich in der Spitzengruppe und die Spitzengruppe kurze Zeit später sogar hinter mir…? Das kann nicht sein! Also mal lieber wieder an Position 15-20 einsortiert. War wohl die Angst vor der eigenen Courage. Weiter geht’s.
Primärziel die Innenstadt zu überleben erreicht. Jetzt galt es das Sekundärziel in Angriff zu nehmen: So weit wie möglich vorne über die Wellen um Grunewald zu fahren. Irgendwie war ich dann aber zu weit vorne, also ganz vorne. Für die erste Welle ging das gut, aber kurz dahinter wartete ja auch die zweite Welle. Jetzt rächte sich mein forsches Herangehen zuvor. Ich wurde ans Ende des ersten Drittels der Gruppe durchgereicht. Und jetzt nahm das Drama seinen Lauf: zwei Stürze kurz hintereinander auf der Geraden Strecke bergauf. Zweimal fast in den Stand zurückbremsen und dann zweimal meine Masse den Berg hoch wieder in Fahrt bringen. Das war zu viel für mich und ich musste reißen lassen und das Rennen in der Verfolgergruppe fortsetzen. Hier habe ich lange zusammen mit 4 weiteren Mitstreitern die Führungsarbeit geleistet, solange bis bei Flughafen Tempelhof meine zwei Probleme wieder da waren: meine Tempelhofer Krampfstelzen. Trotz viel Trinken, Elektrolyten und Verpflegung während der Fahrt…nützt alles nichts, Zähne. zusammenbeißen und durch die letzten 20km kämpfen. Die wurden immer hektischer, es gab immer mehr Fahrfehler und Stürze im Feld, bis es endlich auf die 1200m Zielgeraden ging. Jetzt nochmal alles den Krampfstelzen abverlangen, alles krampft, an drücken ist kaum noch zu denken…und da ist sie, die lang ersehnte Zieldurchfahrt. Ein ganz passables Ergebnis mit 2:50:10 und einem 136. Platz gesamt. Klar wäre mehr drin gewesen, aber was bleibt ist die Erkenntnis: Führungsgruppe ist megageil!!! Da will ich definitiv mehr von haben, jetzt habe ich Blut geleckt und ich weiß, da geht noch mehr. Danke für die anspornenden Worte, Stefan. Hab selbst nicht dran geglaubt, aber du hast jetzt noch einiges mit mir zu tun…
Gruß, Andre
Cooler, offener Bericht.
Bin mir auch sicher, da geht noch was.